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Forschungschwerpunkt

Kompakte Beschleuniger

Ein aktuelles Ziel der Beschleunigerforschung ist die Entwicklung kompakter Anlagen. Zum einen geht es um kleine Beschleuniger, die zum Beispiel an Universitäten für die Forschung, aber auch in Krankenhäusern oder in der Industrie kostengünstig eingesetzt werden können. Zum anderen soll es möglich werden, Großgeräte für die Kern- und Teilchenphysik oder auch Freie-Elektronen-Laser kompakter, energieeffizienter und kostengünstiger aufzubauen.

Das beschleunigende elektrische Feld kann über eine elektromagnetische Welle in einem Resonator aus Metall oder in einer dielektrischen Struktur, aber auch über eine Plasmawelle in einem ionisierten Gas erzeugt werden. Die Größe des Beschleunigers skaliert direkt mit der Wellenlänge und ist invers zur beschleunigenden Feldstärke.

In einem ringförmigen Beschleuniger oder Speicherring hängt die Größe der Anlage von der Teilchenenergie und der Stärke des ablenkenden Magnetfelds ab. Hier ergeben sich Möglichkeiten, Unikate aus dem Forschungsbereich in kommerzielle Produkte zu überführen. Es gibt bereits kompakte supraleitende Zyklotrons für den medizinischen Bereich sowie erste kompakte Synchrotronlichtquellen, deren Weiterentwicklung ein lohnendes Ziel ist.

  • Beschleunigung mit Zentimeterwellen und Terahertz-Pulsen
  • Speicherringbetrieb mit Laserpulsen statt Hochfrequenzwellen
  • Laser-Plasmabeschleuniger mit höherer Energie und Wiederholrate
  • Betrieb eines Freie-Elektronen-Lasers mit Laser-Plasmabeschleunigern
  • Ankopplung von Laser-Plasmabeschleunigern an konventionelle Anlagen

# Kompakte Hochfrequenzstrukturen

In den meisten Beschleunigern werden Radiowellen mit typischen Wellenlängen zwischen 1 und 0,1 Metern in metallischen Hohlraumresonatoren eingesetzt. Der Fortsetzung dieses Prinzips zu kleineren Wellenlängen bzw. höheren Frequenz sind technologische und Grenzen gesetzt. Wirtschaftlich sinnvoll ist der Einsatz von Hochfrequenzverstärkern, die für andere Anwendungen bereits existieren. Um zu höheren Feldstärken und kompakteren Beschleunigerstrukturen zu gelangen, werden Zentimeter- und Millimeterwellen diskutiert, die in der Radartechnik eingesetzt werden.

Auch bei der Beschleunigung durch Ferninfrarot(Terahertz)-Pulse mit Wellenlängen um 0,1 mm (100 m) sind zum Beispiel bei DESY in Hamburg erste Erfolge erzielt worden. Ein noch ambitionierteres Ziel könnte die Verwendung von Laserlicht vom Infrarot- bis Ultraviolettbereich mit Wellenlängen von 10 bis 0,1 m sein.

Je kürzer eine beschleunigende Struktur ist, desto kleiner ist auch ihr Durchmesser, was neue Herausforderungen für die Fokussierung des Teilchenstrahls mit sich bringt. Bei ringförmigen Beschleunigern kommt hinzu, dass die Unterschiede in der Weglänge bei einem Umlauf deutlich kleiner als die Wellenlänge sein müssen. In einem Experiment an der Metrology Light Source in Berlin wurde erstmals dem Elektronenstrahl mit einem Laser eine Struktur von 1 m Wellenlänge aufgeprägt, die über einen vollen Umlauf erhalten blieb.

# Plasmabeschleuniger

Statt einer elektromagnetischen Welle im Vakuum kann auch eine Plasmawelle in einem ionisierten Gas ein sehr hohes elektrisches Feld aufweisen, das zur Teilchenbeschleunigung geeignet ist. Solche Wellen können durch kurze Laserpulse oder auch Teilchenpakete erzeugt werden.

Die lasergetriebene Plasmabeschleunigung (laser wakefield acceleration, LWFA) hat weltweit bereits beachtliche Erfolge in der Stabilität und Qualität der erzeugten Elektronenstrahlen erzielt. Die aktuelle Führungsrolle Deutschlands gründet sich auf die Schaffung einer hervorragenden Infrastruktur mit Hochleistungslasern in Zusammenarbeit mit Industriepartnern, auf in Verbünden entwickelte Diagnostik der Laserpulse und der Plasmawelle sowie auf neue Methoden in der Computersimulation. Meilensteine bei der nächsten Generation von Laser-Plasmabeschleunigern sind die Demonstration eines Freie-Elektronen-Lasers, die Beschleunigung von Teilchen in mehreren Plasmastrukturen (Kaskadierung) sowie die Ankopplung von Plasmabeschleunigern an konventionelle Anlagen, z.B. als Injektor in einen Speicherring.

Die teilchenbasierte Plasmabeschleunigung (plasma wakefield acceleration, PWFA) besitzt das Potential, auch ohne Kaskadierung hohe Teilchenenergien zu erreichen und ist daher insbesondere für Anwendungen in der Kern- und Teilchenphysik von Interesse. Derzeit existieren zwei zukunftsweisende Projekte unter deutscher Beteiligung. AWAKE bei CERN verwendet hochenergetische Protonenstrahlen, um Elektronen beschleunigen. Um 2030 sollen Elektronen mit über 100 Gigaelektronenvolt für erste Anwendungen verfügbar sein. FLASHForward bei DESY nutzt Elektronenpakete, um einen sekundären Elektronenstrahl höherer Energie mit hoher Effizienz und Wiederholrate zu erzeugen. Dies soll bis 2028 etabliert sein und weitere Anwendungen für Freie-Elektronen-Laser oder die Teilchenphysik ermöglichen.

# Dielektrische Beschleuniger

Statt metallischer Hohlraumresonatoren können auch dielektrische Strukturen mit höheren Zerstörschwellen zur Teilchenbeschleunigung genutzt werden. Auch hier gibt es teilchenbasierte und laserbasierte Methoden, um ein beschleunigendes elektrisches Feld zu erzeugen.

Teilchenpakete in einer dielektrischen Röhre oder einer komplexeren Struktur hinterlassen eine „Wirbelschleppe“ elektromagnetische Felder (wakefields), die zur Beschleunigung nachfolgender Teilchen genutzt werden können.

Für die Beschleunigungstechniken mit Lichtpulsen vom Ferninfrarot- bis zum sichtbaren Wellenlängenbereich, die gegenwärtig intensiv erforscht werden, bieten sich dielektrische Strukturen aus Gläsern an. Sie sind für diese Lichtpulse durchsichtig, was verschiedene Möglichkeiten der Einkopplung eröffnet.

Denkbare Anwendungen sind die Erzeugung ultrakurzer Elektronenpakete für die zeitaufgelöste Elektronenbeugung und Elektronenmikroskopie sowie der Aufbau kohärenter Quellen für die Röntgenanalytik. Die gesamte Kette von Quellen für Elektronen und elektromagnetische Strahlung über die beschleunigenden Strukturen bis hin zur Diagnose ultrakurzer Pulse muss neu überdacht werden.