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Forschungschwerpunkt

Gesellschaftliche Trends

Die Beschleunigerforschung darf und will sich aktuellen gesellschaftlichen Trends nicht verschießen. Im Gegenteil: Manchmal ist sie direkt oder indirekt an solchen Trends beteiligt.

Am Forschungszentrum CERN bei Genf, das seit Jahrzehnten die weltweit größten Beschleunigeranlagen betreibt, wurde im Jahr 1989 ein neuartiges Hypertext-System aufgebaut, um eine unkomplizierte Kommunikation von Nachrichten und Forschungsdaten zu ermöglichen. Was damals wie eine Spielerei weniger Experten erschien, gilt heutzutage als die Ikone des digitalen Zeitalters: das World Wide Web.

An mehreren Beschleunigerzentren wie FERMILAB unweit von Chicago, DESY in Hamburg und CERN wurde die Technologie der Supraleitung weiterentwickelt, sodass nun Magnete und Hochfrequenzresonatoren mit hoher Energieeffizienz betrieben werden können. Nur so wurde es möglich, in einem Beschleuniger wie dem Large Hadron Collider Protonen auf eine Energie von 7 Teraelektronenvolt zu beschleunigen und zum Beispiel das Higgs-Teilchen direkt nachzuweisen.

Von der Grundlagenforschung bis zur Krebstherapie sind Beschleuniger an vielen gesellschaftlich relevanten Entwicklungen beteiligt.

# Strategien kurzgefasst

  • Nutzung moderner Rechner- und Netzwerkarchitekturen
  • Weiterentwicklung von Simulationsverfahren und Algorithmen
  • Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz
  • Leistungsfähiges Forschungsdatenmanagement
  • Verbesserung der Energieeffizienz
  • Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen und der Industrie

# Digitalisierung

Die Steuerung einer komplexen Beschleunigeranlage hat schon früh den Einsatz digitaler Techniken erfordert, um Tausende von Parametern über große Strecken schnell und verlustfrei zu übertragen. Der Umfang der Forschungsdaten, die beim Betrieb von Beschleunigern etwa in der Teilchenphysik oder bei der Röntgenbeugung anfallen, geht stets bis an die Grenzen der digitalen Übertragung und Verarbeitung.

Eine weitere Grenze ist die Geschwindigkeit, mit der die physikalischen Vorgänge etwa in einem Freie-Elektronen-Laser oder einem Plasmabeschleuniger modelliert werden können. Bei der Entwicklung neuartiger Beschleuniger lassen sich viele physikalische Parameter, von denen letztlich auch die Bau- und Betriebskosten abhängen, nicht mehr zuverlässig abschätzen und müssen in umfangreichen Simulationsrechnungen ermittelt werden. Ziele sind hierbei die Verbesserung von Algorithmen sowie die effiziente Nutzung moderner Computertechnologie wie zum Beispiel hochgradig vernetzte Rechenkerne (Cluster), programmierbare Schaltkreise (FPGAs) oder massiv parallelisierte Grafikprozessoren (GPUs).

Die zuverlässige Steuerung einer Beschleunigeranlage hängt von der Diagnose des Zustands aller Komponenten und des Teilchenstrahl ab, wobei die gemessenen Parameter zum Teil über Regelschleifen direkt auf die Anlage zurückwirken. Hier liegen die Herausforderungen in der Entwicklung neuer Diagnosemethoden, der Erhöhung der Präzision und Geschwindigkeit von
Messungen sowie in der schnellen Übertragung und Verarbeitung der Messdaten. Die Entwicklung neuer Methoden betrifft zum Beispiel die Diagnose von ultrakurzen Teilchenpaketen und Strahlungspulsen in Freie-Elektronen-Lasern und Laser-Plasmabeschleunigern.

Bei der Steuerung und Regelung von Beschleunigerparametern werden zunehmend Methoden der künstlichen Intelligenz eingesetzt. Während früher die Rechenleistung zur effizienten Anwendung dieser Methoden nicht zur Verfügung stand, ist nun maschinelles Lernen mit neuronalen Netzen oder die Optimierung von Parametern mit genetischen Algorithmen möglich geworden.

Datenmanagement ist auch in der Beschleunigerforschung ein wichtiges Thema. Der direkte Zugriff auf relevante Forschungsdaten und die Standardisierung von Simulationsprogrammen ist nicht nur für die koordinierte Zusammenarbeit zwischen Projektpartnern essentiell, sondern auch für die Ausbildung gewinnbringend. Einheitliche Programmbibliotheken und Entwicklungsumgebungen erleichtern Studierenden den Zugang zur Beschleunigerforschung.

# Energieeffizienz

Der Einsatz von supraleitenden Magneten und Beschleunigungsstrukturen ist ein Beitrag zur Energieeffizienz, der Beschleuniger wie den Large Hadron Collider oder den Europäischen Röntgenlaser überhaupt erst ermöglicht hat. Neben der Erweiterung des Machbaren sind aber Energiereduzierung und Nachhaltigkeit gesellschaftliche Ziele, die sich die Beschleunigerforschung zu eigen machen sollte.

Bewährte Technologien können in Zusammenarbeit mit Ingenieurswissenschaften wie Elektrotechnik und Maschinenbau optimiert werden, um die Energieeffizienz von Beschleunigeranlagen zu erhöhen. Methoden zur Stabilisierung von Energienetzwerken, Heiz- und Kühlkonzepte sowie die Nutzung von Abwärme müssen konsequenter als bisher von großen Industrieanlagen auf Beschleuniger übertragen oder neu entwickelt werden.

Neben der Verbesserung von supraleitenden Materialien mit höherer Sprungtemperatur und geringerem Kühlungsaufwand spielt die Entwicklung von effizienten Hochfrequenzverstärkern eine Rolle. Eine weitere Möglichkeit zur Energieeinsparung ist der Einsatz von Permanentmagneten, der bei Undulatoren zur Erzeugung von Synchrotronlicht bereits etabliert ist, aber zunehmend auch für kompakte Magnetstrukturen in Speicherringen diskutiert wird. Zusätzlich zum direkten Energieverbrauch wird hierbei auch der Aufwand für Kühlwasser reduziert.

Auch bei der Entwicklung neuartiger Beschleunigertechnologien ist die Energieeffizienz ein wichtiges Argument. Neben einer kompakten Bauweise, die Platz und Kosten reduziert, kann zum Beispiel die Entwicklung energieeffizienter Lasersysteme einen Beitrag leisten.